Forschung
„La duplice polarità estetica e storica“ – Methode, Ästhetik und Funktion der Fotografien im Werk der Restauratorin Barbara Schleicher
Ute Dercks und Elisabeth Sobieczky
Barbara Schleicher, Madonna mit Kind des 13. Jahrhunderts aus Sant’Andrea in Cercina di Sesto Fiorentino während der Restaurierung, 1986–1989, Diapositiv 35 mm. Florence, Kunsthistorisches Institut in Florenz – Max-Planck-Institut, Photothek, Inv. flc0619551z
Barbara Schleicher gilt als ausgewiesene Spezialistin für die Freilegung von originären Farbfassungen polychromer Holzskulpturen des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Den diffizilen Prozess der Abnahme und Reinigung hielt die Restauratorin fotografisch fest und dokumentierte so die diversen Stadien ihrer Arbeit. Die zumeist farbigen Aufnahmen zu 82 Skulpturen und Gemälden überließ sie 2017 der Photothek, wo sie digitalisiert, inventarisiert und online zur Konsultation bereitgestellt wurden. Es fallen dabei besonders die Fotografien von Teilfreilegungen signifikanter Stellen auf, die wie vertikale Schnitte durch das Gesicht oder Auge einer Figur wirken und nebeneinander unterschiedliche Farbfassungen bzw. historische Zustände einer Skulptur zeigen.
Im Forschungsprojekt zur Schenkung Schleicher wird die Bedeutung dieses Vorgehens für die Erforschung polychromer Holzskulpturen ebenso thematisiert wie die Ästhetik der Fotografien selber, die über ihre Funktion als technische Bilder hinaus mit Fortschreiten der Restaurierungs- und Konservierungsarbeit eine Dekuvrierung von Zeitlichem im Bild festhalten. Dies gilt sowohl für das Kunstwerk, dessen abgenommene Fassungen irreversibel verloren sind, als auch für die Fotografien, die als materielle Objekte ebenfalls Prozessen des Verfalls, der Restaurierung und der Übertragung in andere Medien unterliegen.
Die Kollaboration ist Teil des Projekts P 32716-G "Die Fassung der früh- und hochmittelalterlichen Holzskulptur", gefördert durch den Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, PI Elisabeth Sobieczky.