Forschung
Zwischen Spiritismus, Futurismus und Science-Fiction: die "geniale Wienerin" Edyth von Haynau (1884–1978)
Lisa Hanstein
Im Kreis der Florentiner Futuristen hochgeschätzt und von dem Gründungsvater des Futurismus F.T. Marinetti als "genial" betitelt, kam die unter dem Pseudonym Rosa Rosà bekannt gewordene Künstlerin dem Anspruch ihrer "misogynen" Künstlerkollegen, alle Bereiche der Kunst und des Lebens zu revolutionieren, mit ihren multiplen Interessen sehr nahe.
In einem vom Aufkommen des Feminismus, der Suche nach einer Erneuerung der Kunst sowie einer starken Faszination für paranormale Phänomene geprägten Klima kreierte Edyth von Haynau Zeichnungen, Gemälde, Pastelle und Keramik. Gleichzeitig analysierte sie den positiven Rollenwechsel der Frau in verschiedenen Beiträgen der Florentiner Zeitschrift "L'Italia Futurista" (1916–1918), auf deren Seiten sie auch "Moltitudine" (1917) und "Romanticismo Sonnambulo" (1917) als Fortsetzungsromane veröffentlichte. Ihr Roman "Una donna con tre anime" (1918) kann als ein frühes Beispiel feministischer Science-Fiction gelten. Wiederholt greift von Haynau in ihren literarischen wie bildnerischen Werken damals (und teils auch heute) hochaktuelle Themen auf: Entdeckungen aus Wissenschaft und Technik sowie paranormale Phänomene führen zu ungeahnten Möglichkeiten und werden in einem neuen Frauenbild reflektiert.
Auch als Frau und Mutter von vier Kindern gelang es ihr, sich als Künstlerin zu entfalten und einen anerkannten Platz in der Geschichte von Italiens bekanntester Avantgarde-Bewegung einzunehmen. Zu untersuchen gilt, welche Aspekte etwa des Futurismus, des Science-Fiction und des Spiritismus dazu beitrugen, dass es Edyth von Haynau gelang, die Grenzen ihres bürgerlichen Lebens zu überwinden. Das Projekt folgt den Spuren der Künstlerin von Österreich nach Italien und strebt eine Dokumentation und Rekonstruktion ihres Gesamtwerkes über die futuristische Phase hinaus an, um das Wirken Edyth von Haynaus innerhalb der künstlerischen Strömungen ihrer Zeit neu zu verorten. Besonderes Interesse gilt dabei ihrem bisher kaum bekannten fotografischen Werk.