Forschung
Foto-Itinerare. Die Galleria Sangiorgi in Rom. Eine Fallstudie zu fotografischen Praktiken im Kunsthandel des 19. und frühen 20. Jahrhunderts
Julia Bärnighausen
Aufgrund ihrer bemerkenswert komplexen Materialität und enthüllenden Bildlichkeit eröffnen diese Fotografien ein transtemporales Netzwerk verschiedener Akteure, zu denen auch sie selbst als historisch geformte und mobile "Foto-Objekte" zählen. Die Galleria Sangiorgi wurde 1892 von dem italienischen Unternehmer Giuseppe Sangiorgi (1850–1928) im Palazzo Borghese in Rom gegründet und avancierte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem der weltweit größten und erfolgreichsten Verkaufs- und Auktionshäuser. Wie viele seiner Zeitgenossen führte auch Sangiorgi eine Werkstatt, in der die Antiquitäten aus seiner Sammlung zum Weiterverkauf reproduziert wurden. Als Ansichtsexemplare, Kommunikationsmittel und "Vorbilder" zirkulierten die Fotografien zwischen Sammlern, Kunsthändlern, Künstlern und Fotografen innerhalb und außerhalb der Galerie und ihren Vertretungen in New York, Paris und London. Auf teilweise noch unbekannten Wegen gelangten sie mit der Zeit in verschiedene Archive. So besitzt auch die Fondazione Zeri in Bologna einen großen Fundus an Fotografien und Zeichnungen der Galleria Sangiorgi. Das Florentiner Foto-Archiv bildet eine weitere von vielen (Wissens-) Schichten in der Sedimentation dieser Dokumente, die hier im Kontext einer kunsthistorischen Abbildungssammlung neue Bedeutungszuschreibungen erfahren haben. Die Arbeit wird unter anderem die Familien- und Unternehmensgeschichte rekonstruieren sowie Praktiken des Kunsthandels um 1900 in den Blick nehmen. Vor allem aber soll anhand dieser Fallstudie gezeigt werden, wie viel epistemologisches Potenzial Fotografien besitzen, wenn sie nicht nur als Bilder verstanden, sondern auch als materielle und "dreidimensionale" Objekte mit einer eigenen Biografie ernst genommen werden.