Familienrepräsentation und Heiligeninszenierung - Kapellen in Florentiner Kirchen vom 14. bis zum 17. Jahrhundert
Studienkurs
Als 'reich, konfus und extravagant' beschreibt Francesco Saverio Baldinucci die 1694-96 errichtete Cappella Feroni in SS. Annunziata: Ihr Auftraggeber Francesco Feroni, der aus ärmlichen Verhältnissen stammend als Kaufmann in Amsterdam zu großem Reichtum gekommen war und unter Cosimo III. als Senator die Finanzen des Großherzogtums verwaltete, versuchte darin künstlerisch alles zu übertreffen, was an repräsentativen Familienkapellen in der toskanischen Hauptstadt vorher entstanden war.
Angefangen mit Giottos Kapellen für die Peruzzi und Bardi in Santa Croce gehören Familienkapellen spätestens seit dem 14. Jahrhundert zum festen Ausstattungsrepertoire Florentiner Kirchen. Zum Teil übertrifft die Berühmtheit bestimmter Kapellen gar die der sie behausenden Kirche, so im Falle der Kapellen Brancacci (Santa Maria del Carmine), Sassetti (Santa Trinita) oder Capponi (Santa Felicita). Seit dem späten 13. Jahrhundert überhaupt in Kirchen nachweisbar, waren die Gründe für die zunehmende Einrichtung von Familienkapellen zahlreich. Im Vordergrund steht der Wunsch, die Memoria einer Familie zu sichern. Im Unterschied zu profanen Unternehmen, wie dem Bau und der Ausstattung von Familienpalästen oder Gartenanlagen boten Familienkapellen die Möglichkeit, die liturgische Seelenfürsorge mit der Zurschaustellung der sozialen Stellung zu kombinieren. Familienkapellen ermöglichten somit genuine Formen der Repräsentation und Inszenierung einzelner Familien, die im diesjährigen Studienkurs unter medialen, funktions-, sozial-, kult- und architekturgeschichtlichen Fragestellungen näher in den Blick genommen werden sollen. Der Bogen soll dabei von den frühen Kapellen des Trecento chronologisch geordnet bis hin zu den späten, römisch inspirierten Kapellen des 17. Jahrhunderts reichen, als deren Kulminationspunkt die oben erwähnte Cappella Feroni in SS. Annunziata sowie die Cappella Corsini in Santa Maria del Carmine betrachtet werden sollen.
Als Zäsur, gewissermaßen als Dreh- und Angelpunkt innerhalb der chronologischen Abfolge der Themen, soll ein kompletter Tag den Medici-Kapellen in San Lorenzo - der Alten Sakristei von Brunelleschi, der Neuen Sakristei von Michelangelo und der Fürsten-Kapelle - gewidmet werden.
Bei der Analyse der Kapellen bilden Fragen nach Funktion und Ausstattung, nach dem Verhältnis der drei Gattungen Malerei, Skulptur und Architektur zueinander sowie nach der Bedeutung der Wahl des Patroziniums den Ausgangspunkt der Diskussionen vor Ort. Es wird darüber hinaus zu fragen sein, inwieweit die Kapellen Bezug auf ältere Einrichtungen anderer Familien nehmen, sich dadurch soziale Netzwerke eruieren lassen, und nicht zuletzt, ob die Kapellen in einem räumlichen Verhältnis zu den Familienpalästen im Stadtraum stehen. Schließlich wird auch die Frage nach der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Familienkapellen innerhalb der Stadt zu stellen sein.
Der Studienkurs wird in diesem Jahr konzipiert von Dr. Katja Burzer, Prof. Dr. Tanja Michalsky, Prof. Dr. Anna Schreurs und Dr. Friederike Wille.
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