Studienkurs
„Superba per uomini e per mura“ –
Raumordnungen und Bildpolitik der oligarchischen Republik Genua
Studienkurs des Kunsthistorischen Instituts in Florenz – Max-Planck-Institut, 12. und 19. Oktober 2021
Organisation: Dr. Stephanie Hanke, Prof. Dr. Alessandro Nova, Dr. Mandy Richter, Prof. Dr. Gerhard Wolf
„La plus mal connue – et la plus difficile à comprendre – des villes marchandes italiennes“, so charakterisierten die französischen Annales noch in den 1980er Jahren die Forschungslage zu Genua. In der Tat erweist sich die ligurische Hafenstadt als eine bis heute verkannte Größe, die in der Kunstgeschichte auf internationaler Ebene relativ wenig Beachtung findet, angesichts ihrer Komplexität jedoch eine eingehendere Beschäftigung verdient. Nicht nur dominierte Genua über Jahrhunderte hin die Seekriege des Mittelmeeres, weite Bereiche des Fernhandels sowie das europäische Bankwesen, sondern verfügt noch heute über eines der größten Altstadtgebiete Italiens, das in einer einzigartigen Verdichtung eine Vielzahl opulenter Paläste, Kirchenbauten und stadtnaher Villen vorweisen kann.
Auch der diesjährige Studienkurs des Kunsthistorischen Instituts in Florenz möchte dazu beitragen, la Superba, wie man die See- und Handelsrepublik zu Recht in ihrer Blütezeit nannte, in ihren ästhetischen, räumlichen und politischen Ordnungen näher zu erschließen. Im Fokus steht mit dem Zeitraum des 16. und 17. Jahrhunderts das lange secolo d’oro dei Genovesi, in dem Genua eine spektakuläre ökonomische und künstlerische Blütezeit erlebte. Die durch Andrea Doria herbeigeführte Allianz mit Karl V. eröffnete der Stadt neue Handelswege sowie den Zugriff auf die Finanzgeschäfte des spanischen Herrscherhauses. Zugleich stabilisierte sich mit der Etablierung eines aristokratisch-republikanischen Regiments die innergenuesische Situation der zuvor durch Familienzwiste und Fremdherrschaft gebeutelten Gesellschaft. Es entstand eine oligarchische Führungsklasse, deren konkurrierende und zugleich in einer Art „kapitalistischer Interessengemeinschaft“ avant la lettre gebundene Adelsfamilien angesichts der veränderten außen- wie innenpolitischen Lage neue Repräsentationsbedürfnisse entwickelten. Der Adel investierte massiv in Palast- und Villenbauten, deren aufwendige Freskenzyklen oftmals historische Errungenschaften des jeweiligen Adelsgeschlechts – von Schlachtensiegen bis hin zur Entdeckung Amerikas durch Kolumbus – glorifizieren. Schon Rubens erkannte die herausragende Qualität der Genueser Adelsresidenzen, die er in seinem Stichwerk Palazzi di Genova der nordalpinen Nobilität als Modell für moderne und standesgemäße Paläste an die Hand gab. Besonderen Anreiz für diese Investitionen des vermögenden Adels schuf dabei die in Genua einzigartige staatspolitische Nutzung der Privatpaläste zur Unterbringung offizieller Gäste der Republik – ein System, für das Ennio Poleggi treffend den ambiguen Begriff der reggia repubblicana geprägt hat. Gänzlich anders als in der Seerepublik Venedig, die für Genua stets Rivalin, aber auch Vor- und Gegenbild war, gingen damit staatliche und private Repräsentation Hand in Hand und vollzogen sich innerhalb eines Systems kontinuierlicher Austarierung und Neuformulierung von Machtansprüchen innerhalb der Oligarchie.
Diesem Spannungsfeld öffentlicher und dynastischer Interessen gilt die besondere Aufmerksamkeit des Studienkurses, der die Kunstpatronage und die urbane Gestalt Genuas aus den spezifischen historischen und sozialen Bedingungen heraus beleuchten möchte. Im Fokus stehen Architektur und Ausstattung ausgewählter Stadtpaläste und Villen, des Dogenpalastes und des berühmten Bankhauses San Giorgio, aber auch die Investitionen der uomini privati auf dem Gebiet des Kirchenbaus, etwa die für Genua charakteristischen Gentilizkirchen. Thematisiert werden visuelle Strategien der politischen Selbstdarstellung in Wand- und Fassadenmalereien, Porträtbildnissen und Ehrenstatuen. Mit den Prachtstraßen der Strada Nuova und der Via Balbi sowie der Piazza Banchi rücken die frühneuzeitlichen Überformungen und Neuordnungen des mittelalterlichen Stadtkörpers in den Blick. Dabei gilt es, Einzelobjekte innerhalb eines Systems konkurrierender Auftraggeberschaften zu erschließen und darüber die künstlerische und politische Alterität der Stadt Genua sowie die Nachwirkungen ihrer Strukturen bis in die Gegenwart der europäischen Gesellschaft zu erfassen.
Alle verfügbaren Plätze sind bereits vergeben, deshalb ist eine Anmeldung zu dieser Veranstaltung leider nicht mehr möglich.
12. – 19. Oktober 2021
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