Infinite Island. Zeitgenössische, karibische Kunstproduktionen zwischen autonomer Präsentation und Fremdmusealisierung

Projektvorstellung der Max-Planck-Forschungsgruppe "Objects in the Contact Zone - The Cross-Cultural Lives of Things"

Eva-Maria Troelenberg, David Frohnapfel

Die Max-Planck-Forschungsgruppe beschäftigt sich mit außereuropäischen Objekten, die in westlichen Museen oder Sammlungen aufbewahrt und präsentiert oder in westlichen Medien reproduziert sind, die aus westlicher Perspektive betrachtet, beschrieben, analysiert und kategorisiert werden.

Zentrale Zielvorstellung ist es, anhand konkreter Fallstudien mögliche Brückenschläge zwischen den Fragestellungen transkultureller und kunst- bzw. bildwissenschaftlicher Forschung herzustellen. Dahinter steht die Kernfrage nach modernen Definitionen von Kunst im kolonialen und postkolonialen Zeitalter, die unsere Wahrnehmung des "Anderen" wesentlich kanalisieren, befördern oder auch einschränken können, mithin also auf ihre erkenntnistheoretische Funktion im transkulturellen Feld zu untersuchen sind.

Die Forschungsgruppe wird eine Reihe von Fallbeispielen und historischen Konstellationen in Betracht ziehen, die sich um Museen, Sammlungen, Objekte und Publikationen im kolonialen und postkolonialen Zeitalter drehen. Das Projekt ist damit offen für eine große Bandbreite von Regionen, Institutionen und Kunstformen, die neue Einblicke in spezifisch künstlerische bzw. kunsthistorische Prozesse interkultureller Wissensgenerierung bieten.

Als erstes Fallbeispiel stellt David Frohnapfel sein Dissertationsprojekt "Infinite Island. Zeitgenössische, karibische Kunstproduktionen zwischen autonomer Präsentation und Fremdmusealisierung" vor. Durch die vergleichende Gegenüberstellung von autonomen, haitianischen Repräsentationsformen des Künstler-Kollektivs 'Atis Rezistans' in einem Slum in Port-au-Prince und institutionellen Musealisierungen dergleichen Objekte in Europa und Nordamerika möchte das Projekt neue Konzepte und objektspezifische Kategorien für die Ausstellung von zeitgenössischer, "karibischer" Kunst entwickeln, die sich von den Weltbildentwürfen der afro-karibischen Religionen ableiten lassen. Bei der Betrachtung von zeitgenössischer, karibischer Kunst wäre es stark verkürzt die Aneignung und Kreolisierung des westlichen Kunstbegriffes und die elitäre Abgrenzung einiger Gruppen zueinander als progressiven, universalen Entwicklungsschritt von einer traditionellen, religiösen Kunst und Kultur hin zu einer säkularen, westlichen Kunst zu verstehen. Die traditionellen Bezugspunkte, welche die lateinamerikanischen Modernisten zur Emanzipation von der dominanten, europäischen Kunst gebrauchten, können in vielen Fällen weiterhin parallel zu diesen "modernen" Entwicklungen bestehen bleiben oder werden in diese integriert. Néstor García Canclini bezeichnet diesen Prozess als multitemporale Heterogenität der lateinamerikanischen Lebenswirklichkeit, die anschaulich in den Arbeiten des haitianischen Künstler-Kollektivs seine Visualisierung findet.

Künstler wie Jean Claude Saintilus und Papa Da fordern die "euroamerikanischen" Trennlinien zwischen "ethnographischen Artefakten" und "zeitgenössischem Kunstobjekt" heraus und verweigern sich jede klaren kunstwissenschaftlichen Klassifikation. Wie "euroamerikanische" Institutionen diese rhizomatische Überschneidungen von Religion und Kunst in ihrer kuratorischen Praxis verhandeln, soll dabei ebenso Thema des Dissertationsprojektes sein, wie die haitianische Eigen-Präsentation der Objekte.

Kunsthistorisches Institut in Florenz - Max-Planck-Institut
Palazzo Grifoni - Seminarraum
Via dei Servi 51
50122 Firenze
Dr. Eva-Maria Troelenberg  
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