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Simulakra des Dämonischen. Antonius Eremita oder das Eigenleben Objektiver Phantasien
Jakob Moser

Jacques Callot, Versuchungen des hl. Antonius, Radierung um 1616, Princeton University Art Museum
Der koptische Asket Antonius, der sich Ende des 3. Jh.s zur spirituellen Läuterung in die ägyptische Wüste zurückzog, wurde laut antiken Legenden von Dämonen durch phantastische Simulakra in Versuchung geführt. Indem Antonius allen Versuchungen widerstand, wurde er zum Urvater des christlichen Mönchtums und zu einem „Heiligen der Imagination" stilisiert, dessen Einfluss weit über die Grenzen der monastischen Kultur bis in die Gegenwart wirkt. Während die Simulakra der Dämonen jedoch seit Anbruch der Moderne als Projektionen subjektiver Ängste und Begierden verstanden wurden, beteuerten frühchristliche Hagiografen und Theologen deren Objektivität: Die Einsamkeit der Wüste erscheint aus prämoderner Perspektive weniger als Projektionsfläche denn als Produktionsstätte einer „objektiven Phantasie", die diesseits einer eindeutigen Spaltung von Innen- und Außenwelt ein gespenstisches Eigenleben führt.
Das Projekt möchte anhand der weitreichenden intermedialen Rezeption der Versuchungen des hl. Antonius epistemologische Umbrüche innerhalb der euro-mediterranen Kulturgeschichte des Simulakrums nachvollziehen: Wie wurde der ontologische Status dämonischer Phantasmen definiert? Wie wurde die „Objektivität" der Dämonen im Spannungsfeld kosmologischer und psychologischer Erklärungsmodelle konzipiert? Wie wurde das Verhältnis zwischen dämonischer und künstlerischer Einbildungskraft inszeniert? Diese Fragen werden schlaglichtartig am Beispiel der Dämonologie der alexandrinischen „Theologie der Wüste" (Origenes, Athanasius, Evagrius Ponticus), der frühneuzeitlichen Ikonografie (Bosch und Nachfolger) sowie der Literatur des 19. Jh.s (Flaubert) ausgeleuchtet. Dabei soll sich erweisen, dass die theoretischen und ästhetischen Konfigurationen dämonischer Simulakra immer schon auf eine übergeordnete „Ethik des Trugbildes" verweisen.