Das Mittelmeer: Poesie und Politik eines Raumes 1860-1960
Tagung
Das Kunsthistorischen Institut in Florenz (Max-Planck-Institut) veranstaltet in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Museen zu Berlin die internationale Tagung "Das Mittelmeer. Poetik und Politik eines Raumes 1860-1960.
Konzeption: Hannah Baader und Gerhard Wolf in Zusammenarbeit mit Claus-Peter Haase (Museum für Islamische Kunst - SMB)
Die Tagung steht in Zusammenhang eines größeren Forschungsprojektes zur Kunstgeschichte des Mittelmeerraumes (Gerhard Wolf) und zum Meer als Gegenstand wie Grenzfall der Repräsentation (Hannah Baader) und soll Fächer- und Nationalstaaten übergreifend nach der Bedeutung des Konzeptes von Mittelmeer und Mittelmeerraum in den Künsten, den Literaturen und Historiographien, sowie der Urbanistik und Museumsgeschichte fragen.
Ausgangspunkt für die Tagung stellt die Relektüre von Fernand Braudels Buch "La Méditerranée et le Monde mediterranéen à l'époque de Philippe II" (Paris 1949) dar. Konzipiert in Paris, Algier, Dubrovnik und São Paolo, verfasst zu einem nicht unerheblichen Teil in Lübeck in deutscher Kriegsgefangenschaft, entstand das Werk fast zeitgleich mit Carl Schmitts Schrift "Land und Meer" (1942) oder Rudolf Borchardts Versuch über die Seerepublik "Pisa" (1932-1936; 1938).
Ebenfalls in die dreißiger Jahre fällt die Gründung des Centre Universitaire Méditerranéen in Nizza (1933), dessen erster Direktor Paul Valéry war. Er hatte 1921 mit "Eupalinos" einen Text vorgelegt, in welchem dem jungen Sokrates am Ufer des Mittelmeeres ein Objekt als Strandgut vor die Füße gespült wird, dessen Status zwischen Natur und Kultur sich als nicht bestimmbar erweist.
Im faschistischen Italien kommt es zu einer geopolitischen Zelebration der zentralen Lage des Landes im Mittelmeerraum, was sich auch in den urbanistischen Projekten fassen lässt. Der Ägypter Taha Husayn insistiert auf der Rolle des Mittelmeeres für das historische und kulturelle Selbstverständnis seines Landes (1938). Vermutlich zum ersten Mal durch Rifâ'a al-Tahtâwît (1801-1873), bezeichnet die arabische Welt das Mittelmeer nicht länger nur als ‚Raum der Anderen’ (Al-Bahr-al-rûm, Meer der Römer), auch als al-bahr al-Abyad, weißes Meer (in Übersetzung aus dem Türkischen) oder als al-bahr al-Mutawassit - das 'Meer der Mitte'.
Diesen sehr unterschiedlichen Versuchen einer Beschäftigung mit dem Mittelmeer - als einem Kulturraum von jeweils unterschiedlich gedeuteter Einheitlichkeit, einem Raum von der Ereignisgeschichte enthobener Dauerhaftigkeit, dem Subjekt der Geschichte, als einem Raum der politischen Vision, des schnöden Geschäftes oder der Ununterscheidbarkeit von Natur und Kultur - geht eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den frühen Kulturen des Mittelmeerraumes und des Vorderen Orient voraus, denen nicht zuletzt auch Aby Warburgs Arbeiten zuzurechnen sind. Ebenfalls um die Jahrhundertwende kommt es zur Gründung von neuen, diesen Kulturen gewidmeten Museen und Sammlungen.
Innerhalb eines zeitlichen Rahmens, der politisch vom Zerfall des Osmanischen Reiches (Krimkrieg 1853-56) und der Öffnung des Mittelmeeres zum Roten Meer und Indischen Ozean durch den Bau des Suezkanals (1869) bis in die frühen sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts, d.h. in die Zeit der Suezkrise (1956) und dem Ende des Algerienkrieges (1962) reichen soll, fragt die Tagung nach der Geschichte der Erforschung und der Konstruktion einer kulturellen Topographie des Mittelmeerraumes, seiner Bedeutung für die Vorstellungen von Kulturräumlichkeit überhaupt und seiner Rolle in einer Landkarte des Imaginären.
Unter der Prämisse, dass die Auseinandersetzung der Moderne mit dem Mittelmeer noch zu erforschen ist, gilt sie dem Mittelmeerraum als einem vermeintlichen Ort des Ursprungs der je eigenen Kultur und Religion, der gleichzeitigen Begegnung mit dem je Anderen, Fremden, dem Ort der Geburt des logos und dem Raum der Geschichte schlechthin, der zugleich jenseits der Geschichte steht.
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Theodor Wiegand Saal
Am Kupfergraben 5
10177 Berlin
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