Vortrag und Seminar
Herta Wolf: Kommunikation und Dissemination fotografischen Wissens nach 1839
In einem Brief vom 21. August 1839 kündigte W.H.F. Talbot Giambattista Amici eine Sendung fotogenischer Zeichnungen an, die er ihn bittet, in Pisa – in einer diesem angebracht erscheinenden Weise – auf einer wissenschaftlichen Versammlung zirkulieren zu lassen. Aber es ist nicht nur Talbot, der seine Fotos über Europa ausbreitete. All diejenigen, die mit dem Medium experimentierten, die fotografierten, die sich insbesondere um die Verbesserung der Verfahren, d.h. um neue optische Systeme oder chemische Prozedere bemühten, zeigten ihre Bilder und verteilten sie nicht nur an europäische Fürstenhäuser, sondern kommunizierten diese u.a auch wissenschaftlichen Gesellschaften. Aber nicht nur um Urheberrechtsansprüche zu festigen, wurden fotografische Bildexempel in der Frühzeit des Mediums verschickt. Wenn Fotografien als Probestück gleichermaßen wie als Bildvorlage, als wiederholte, wiederholbare Objekte also in Umlauf gebracht wurden, dann mag dies der Perzeption einer als einzigartig gedachten, einem Zeit-Raum-Schnitt verdankten Fotografie (vgl. u.a. Barthes 1980) entgegen stehen. Doch diese Praxis der Kommunikation und Dissemination von Bildern wie von fotografischer Anleitungsliteratur weist das fotografische Wissen als in den neuen Wissensfeldern und -methoden verankert aus, die die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts prägten und die sich als Vorboten der Moderne lesen lassen. Mehr noch, es kann als Signum der Fotografie gewertet werden, wie ich in meinem Vortrag zeigen werde.
Im Seminar möchte ich insbesondere den Umgang mit in unterschiedlichen Wissens- und Verfahrenspraktiken verwurzelten fotografischen Musterbildern bis zur ersten Weltausstellung von 1851 diskutieren.
Herta Wolf ist Professorin für Geschichte und Theorie der Fotografie. Von 1994 bis 2010 lehrte sie an der Universität Duisburg-Essen, seit 2010 am Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen der Frühgeschichte der Fotografie und der Fotogeschichte im Kontext der Wissenschaftsgeschichte. Insbesondere setzte sie sich mit wissenschaftlichen Darstellungs- und Aufzeichnungsverfahren auseinander. 2012 bis 2016 leitete sie das DFG-Projektes Fotografie als angewandte Wissenschaft: Über die epistemische Rolle von fotografischen Handbüchern (1839-1883) (WO1768/1-1). Aktuell arbeitet Wolf an einer Ausgabe von Gesammelten Schriften von W. H. F. Talbot, die 2018 erscheinen wird. Jüngste Publikation: Zeigen und/oder beweisen? Die Fotografie als Kulturtechnik und Medium des Wissens (Berlin 2016), in der sie sich mit Blanquart-Évrard Bild- und Textkommunikationen auseinandergesetzt hat.
28. November 2017, 18:00 Uhr
29. November 2017, 10:30 Uhr
Hinweis
Diese Veranstaltung wird durch Fotografien und/oder Videoaufnahmen dokumentiert. Falls es nicht Ihre Zustimmung findet, dass das Kunsthistorische Institut in Florenz Aufnahmen, auf denen Sie erkennbar abgebildet sein könnten, für die Veranstaltungsdokumentation und Öffentlichkeitsarbeit (z.B. Social Media) verwendet, bitten wir um eine entsprechende Rückmeldung.