Im Fokus

Von Dante bis Picasso

12 Werke aus der Biblioteca Serlupiana

Marsilius Ficinus, Commentarium in Convivium Platonis De Amore, Handschrift auf Papier, ca. 1475

Die philosophische Abhandlung setzt sich mit Platons Symposion und der platonischen Liebeslehre auseinander. Ficino interpretiert Platons Konzept des Eros aus einer neoplatonischen und christlichen Perspektive, in der die Liebe als eine göttliche Kraft beschrieben wird, die die Seele zur Erkenntnis und zur Vereinigung mit dem Göttlichen führt. Dabei integriert er in seine Theorie der Liebe ethische, astrologische und metaphysische Aspekte. Nach seiner Auffassung wird die Schönheit in allen Stufen des Kosmos reflektiert, wodurch die menschliche Seele durch die Liebe zu höheren Erkenntnissen aufsteigen kann. Obwohl Ficino den sich etablierenden Buchdruck für mehrere seiner Werke nutzte, ist dieser Kommentar in der Tradition der mittelalterlichen Manuskripte mit der Hand geschrieben. Gleichwohl verwendet der Schreiber eine moderne ‚humanistische‘ Kursive. Ficinos Schriften, sowohl als Manuskripte wie auch als Druckwerke, und zahlreiche Inkunabeln aus seinem intellektuellen Umfeld bildeten den Ausgangspunkt der Privatbibliothek „Serlupiana“, die in der Villa „Le Fontanelle“ in Careggi, ehemals Sitz der „Accademia Platonica“ (1462 von Ficino gegründet), ihre erste Heimat hatte.

 

Dante Alighieri, La Commedia, Comm. Christophorus Landinus, Add. Marsilius Ficinus, Ad Dantem gratulatio, Florenz: Nicolaus Laurentii Alamanus, 30. August 1481

Die von Cristoforo Landino kommentierte Ausgabe von Dantes „Divina Commedia“ ist ein herausragendes Beispiel für das Zusammenspiel von Wissenschaft, Kunst und dem sich gerade etablierenden Buchdruck. Landino konnte seinen umfangreichen, humanistischen Kommentar von Dantes Versepos des frühen 14. Jhs.  in nur wenigen Monaten in einer erstaunlich hohen Auflage auf den Markt bringen und somit für eine schnellen Verbreitung seiner Gedanken und Ansichten sorgen. Im Seitenlayout umrahmt sein Kommentar den in größeren Lettern gesetzten Text Dantes, übertrifft diesen dabei im Umfang bei Weitem. Mit 100 Abbildungen hätte das monumentale Werk ein breites Publikum angesprochen, doch wegen des komplizierten Druckverfahrens ließ sich dieses ehrgeizige Vorhaben lediglich in Ansätzen realisieren. Aus wissenschaftshistorischer Sicht war Landinos Kommentar von epochaler Bedeutung, wie seine zahlreichen Nachdrucke beweisen.

 

Filippo Calandri, Pictagoras arithmetrice introductor. Philippi Calandri ad nobilem et studiosum Julianum Laurentii Medicem de arimethrica opusculum. Florenz: Lorenzo Morgiani und Johannes Petri, 1. Januar 1491

Mit dem handlichen und auch preiswerten Büchlein schuf der Mathematiker Calandri ein für praktische Zwecke entworfenes Lehr- und Nachschlagewerk, das Schülern, aber auch Kauf- und Bankleuten im Studium und im Alltag dienen sollte. Calandri war Lehrer des 12-jährigen Giuliano Lorenzo de‘ Medici, des späteren Herzogs von Nemours, dem dieses Büchlein gewidmet war. Es stellt die enorme Vielfalt und Flexibilität des noch jungen Buchdruckverfahrens unter Beweis. Zudem ermöglichte der Buchdruck eine standardisierte und reproduzierbare Darstellung mathematischer Inhalte, was die Verbreitung von Wissen erheblich beförderte. Neben Handel und Wirtschaft spielte Mathematik in der Renaissance eine wichtige Rolle auch für das Bauwesen, die Navigation und nicht zuletzt für die Kunst.

 

Hartmann Schedel, Liber chronicarum, Nürnberg: Anton Koberger, für Sebald Schreyer und Sebastian Kammermeister, 12. Juli 1493, Holzschnitte von Michael Wolgemut, Wilhelm Pleydenwurff und Albrecht Dürer

Die ’Weltchronik‘ von Hartmann Schedel (1440–1514) schildert in noch mittelalterlicher Tradition die Geschichte der Welt als Abfolge von sieben Weltaltern, von der Schöpfung bis zum jüngsten Gericht. Zugleich nutzt sie die Möglichkeiten der um 1480 modernsten Publikationsform (Schriftdruck und Holzschnitte). Mit über 1800 Illustrationen ist sie die am reichsten bebilderte Veröffentlichung ihrer Zeit. Das Verlagswesen in Nürnberg mit seiner arbeitsteiligen Organisation bildete für ein Projekt wie die ‚Weltchronik‘ die entscheidende Voraussetzung. Mit einer Übersetzung der lateinischen Erstausgabe ins Deutsche wurde das Werk einem breiten Lesepublikum geöffnet und begründete auch so seinen großen Erfolg. Die zahlreichen Stadtansichten ermöglichten darüber hinaus ein virtuelles Reisen durch die gerade in der Zeit um 1500 intensiv erkundete Welt aus europäischer Perspektive.

 

Girolamo Savonarola, Predica dell’arte del bene morire, 2. November 1496, hg. v. Lorenzo Vivoli, Florenz: Bartolommeo di Libri, nach Juni 1497

Der Dominikaner, Prediger und Reformator Girolamo Savonarola, der sich gegen Korruption und moralischen Verfall vor allem der Kirche sowie gegen Luxus und Dekadenz wandte, behandelt in seiner „Predigt über die Kunst des guten Sterbens“ den Tod und die Vorbereitung auf ihn durch ein tugendhaftes Leben. Er empfahl, drei Bilder im Schlafzimmer aufzuhängen und jeden Morgen zu betrachten, um sich der Vergänglichkeit des Lebens bewusst zu werden. Die gedruckte Version der Predigt enthält Holzschnitte, die diese Bilder darstellen. Dem in seiner Zeit verbreiteten Neuplatonismus, insbesondere jenem von Marsilio Ficino, stand Savonarola ablehnend gegenüber und forderte statt einer Öffnung gegenüber antikem Wissen eine strenge, bibelzentrierte Frömmigkeit.

 

Girolamo Savonarola, Compendium revelationum, Florenz: Lorenzo Morgiani and Johannes Petri, 1. September 1495

Im Compendium revelationum veröffentlichte Savonarola seine Visionen und Prophezeiungen aus seiner Zeit als Prediger in Florenz. Inhaltlich kursieren diese Einlassungen um die von Savonarola propagierte Reform der Kirche, aber auch um die Zukunft der Gesellschaft, die sich von Sittenverfall und Korruption abwenden müsse. Er war überzeugt, dass Florenz eine zentrale Rolle in dieser Erneuerung spielen würde, die Stadt sollte ein „neues Jerusalem“ werden und damit Vorbild für eine gereinigte christliche Gesellschaft.

 

Franciscus Columna, Hypnerotomachia Poliphili, Add. Leonardus Crassus, Johannes Baptista Scytha und Andreas Maro, Venedig: Aldus Manutius, Dezember 1499

Das in Venedig von dem berühmten Verleger Aldus Manutius herausgegebene Werk ist voller Rätsel, angefangen von dem bis heute nicht zweifelsfrei identifizierten Autor. Es beschreibt den Traum eines jungen Mannes, in dem er eine Reise zu seiner geliebten Polia durch eine Fantasiewelt voller zauberhafter Landschaften, minutiös beschriebener antiker Ruinen sowie mythologischer Wesen und Götter erlebt. Bemerkenswert ist auch die Buchgestaltung mit einer innovativen Typografie und den in den Text fließend integrierten Holzschnitten. Text- und Bildduktus gehen eine vollkommen neuartige, kreative Verbindung ein. Durch die detaillierten Beschreibungen inspirierte das Werk zahlreiche Künstler und Architekten.

 

Giovanni Battista Piranesi, Le Carceri, con i Capricci e le Vedute archeologiche di Roma, Rom, Trinità de’ Monti, 1750

In den ‚Opere varie‘ vereinigt Piranesi Arbeiten aus seinen ersten römischen Jahren (1740 bis 1743), die zugleich seine überragende Kunst der Radierung, seine Berufung zum Architekten und seine Passion für die Archäologie widerspiegeln. Piranesi vervollkommnete die Technik der Radierung durch die Kombination verschiedener Verfahren wie Stufenätzung, Kaltnadel oder Strichätzung, wodurch er einzigartige Tiefen- und Lichteffekte erzielte. Sie bilden das Komplement zu seinen teilweise ‚surrealen‘ Raumfantasien, in denen sich Monumentalität und Komplexität von Räumen paaren. Wie kein anderer Künstler vermochte es Piranesi, die materielle Wucht der antiken Bauwerke und die Gewalt ihrer Zerstörung zu veranschaulichen. Piranesis Radierungen wurden sowohl zu seinen Lebzeiten als auch in späteren Jahrhunderten hochgeschätzt und hatten einen erheblichen Einfluss auf Kunst, Architektur und sogar Literatur.

 

Antonio Canova, Le Muse coi loro poeti e filosofi. Minerva e Apollo. Scherzi di Ninfe e Grazie che danzano. Danzatrici. Pensieri di Antonio Canova, Rom: Calcografia Camerale, 1809–1814

Im Unterschied zu jenen seines Zeitgenossen Piranesi stammen die Radierungen in diesem Konvolut nicht von der Hand des Künstlers, sondern wurden von einer Reihe von Stechern nach Malereien Canovas gefertigt. Auch stilistisch unterscheiden sich die Radierungen der beiden Künstler stark. Canova war der bedeutendste Bildhauer seiner Zeit, berühmt für seine Werke klassizistischer Ästhetik; zugleich experimentierte er (vor allem in seinem Geburtshaus in Possagno) mit Bildfindungen in Temperatechnik, die sich an den Wandmalereien von Herculaneum und deren Publikation im späten 18. Jh. inspirierten. Die Figuren in dieser Radierfolge verbinden so unverkennbar die Perspektive des dreidimensional konzipierenden Künstlers, aber auch sein Interesse an der bildlichen Inszenierung von Tanz, bewegten Figurengruppen und die Faszination der neuentdeckten antiken Malerei. Die Figurengruppen in den bravourösen Stichen leuchten hell vor dem dunklen Hintergrund und suggerieren mit feinen Schattierungen die Körperhaftigkeit von Marmorfiguren und zugleich Leichtigkeit wie grazile Beweglichkeit.

 

Marcel Proust, À l’ombre des jeunes filles en fleurs, Paris, 1920

Das literarische Hauptwerk des französischen Dichters, „Die Suche nach der verlorenen Zeit“, ist in sieben Teile gegliedert, die zwischen 1913 und 1927 veröffentlicht wurden. Es ist eine tiefgehende Reflexion über Erinnerung, Zeit, Liebe und Gesellschaft, geprägt von Prousts introspektiver und detailreicher Erzählweise, die Erinnerungen und Gedanken kunstvoll miteinander verwebt. „À l’ombre des jeunes filles en fleurs“, ist der zweite Band und wurde 1919 veröffentlicht. Das Buch gewann den renommierten Prix Goncourt und festigte Prousts literarischen Ruhm. Ein Jahr später brachte der Verlag ‚La Nouvelle Revue Française‘ eine auf 50 Exemplare limitierte Luxusausgabe dieses Werkes heraus, von denen sich eine in der Serlupiana befindet. Sie ist auf Dünndruckpapier und in einem ungewöhnlichen Quarto-Format gedruckt. Neben einem Frontispiz-Porträt von Proust enthalten die Exemplare Manuskriptbeilagen, zusammen mit handschriftlichen Korrekturen und Ergänzungen des Autors für die Drucklegung. Bei dieser ungewöhnlichen Ausgabe handelt es sich möglicherweise um fundraising für die Fortsetzung von Prousts Werk.

 

Jean Cocteau, Le Livre Blanc, mit Zeichnungen von Jean Cocteau: Lithografien handkoloriert von M. B. Armington, Paris: Éditions du Signe, 1930

Der semi-autobiografische Roman, in dem die Erfahrungen mit der gleichgeschlechtlichen Liebe eines namenlosen Protagonisten geschildert werden, wurde zunächst anonym veröffentlicht, in einer Zeit, als Homosexualität noch strafbar war. Die in der Gestaltung sehr reduzierten, fast minimalistischen Illustrationen wurden von Cocteau selbst entworfen. Mit einer beeindruckenden Expressivität der Linienführung und einer Beschränkung auf ganz wenige, aber um so dominierende Bildelemente schuf Cocteau berührende, nachdenkliche Figuren und intime Szenen mit teilweise rätselhaften Formenverzerrungen. Im Exemplar der Serlupiana sind 17 der Lithografien von dem kanadischen Maler und Grafiker Frank Milton Armington handkoloriert worden, wodurch sie den linienbetonen Darstellungen Cocteaus eine größere Tiefe und teilweise stärkere emotionale Wirkung verleihen.

 

Pablo Picasso, Eaux-fortes originales pour des textes de Buffon (Histoire naturelle), Paris: Fabiani, 1942

Die Sammlung von 31 Radierungen, 1936 im Auftrag von Ambroise Vollard entstanden und 1942 von Martin Fabiani veröffentlicht, illustriert Auszüge der Histoire Naturelle des Naturforschers Georges-Louis Leclerc, Comte de Buffon (1707–1788). Mit verschiedenen Radiertechniken (Aquatinta, Kaltnadel, Ätzradierung) stellte Picasso verschiedene Tiere in seinem typischen, zwischen Naturalismus und Abstraktion changierenden Stil dar. Picasso verstand es, mit expressiver Einfachheit, den jeweiligen Charakter der ausgewählten Tiere kraft einer spezifischen Strich- und Linientextur und mit großer Ausdruckskraft, aber auch einem subtilen Humor, sowie der Evokation eines jeweils individuellen Ambientes zu veranschaulichen.

 

 

Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte: 
camilla.musci@khi.fi.it

Fotografie: Bärbel Reinhard (Fondazione Studio Marangoni)
Konzept und Koordination: Bibliothek

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